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Von der „Alternative für Deutschland“ und wirklichen Alternativen

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Protestkundgebgung gegen den AfD-Parteitag Hamburg; Foto: Marius Röer

Deutschland 2014. 15,2 % der Menschen gelten offiziell als arm. Das heißt für Alleinstehende weniger als 869 € pro Monat zur Verfügung zu haben. In Hamburg leben knapp 225.000 Menschen ganz oder teilweise von staatlichen Leistungen. Jedes fünfte Kind wächst in Armut auf. Gleichzeitig leben in dieser Stadt 42.000 Millionäre und 11 Milliardäre. Viele Jahre neoliberaler Kapitalismus inklusive Agenda 2010 haben Deutschland und Europa in die tiefste Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs geführt. Doch spätestens durch diese Krise und die europaweite soziale Bewegung hat der „freie Markt“ und die „unsichtbare Hand“ nahezu jegliche Überzeugungskraft verloren. Klar ist, dass es so nicht weitergehen kann. Unklar ist derzeit für Viele nur, wo es hingehen soll.

Dieses in Frage gestellte System versucht die sog. „Alternative für Deutschland“ (AfD) zu retten, indem sie ein außerwirtschaftliches Treueverhältnis zum Kapitalismus beschwört. Hartz IV, Bachelor-Master-Terror und Burn-Out als Ausdruck dieser Konkurrenzverhältnisse sollen durch die Besinnung auf Heimat, Tradition und Nation legitimiert werden. Inklusive der aggressiven Brutalität gegen „Fremde“, „Ausländer“, „Asylanten“ und „Leistungsversager“. Dafür hat sie offen rechte, konservative, rassistische und nationalistische Gemeinschaftsideologie im Angebot: „Familie als Keimzelle der Gesellschaft“, „Mut zu Deutschland“, „Wir sind nicht das Weltsozialamt“ (alles Wahlsprüche der AfD, letzterer von der NPD kopiert). Die AfD ist also eine rechte bis extrem rechte Partei.

Die jüngsten Wahlerfolge der AfD zeigen auch, dass es eine reale materielle Entsicherung der Lebensverhältnisse vieler Menschen gibt, welche also verständlicherweise nach einer Perspektive suchen, nach einer Alternative zum status quo. In Wirklichkeit hat das politische Spektrum der AfD aber keine alternative Lösung für die Krise, sondern ist der Brandstifter, welcher sich nun als Feuerwehrmann aufspielt. Exemplarisch lässt sich diese zündelnde – weil unternehmensfreundliche – Position an einem vom Hamburger Professor und Parteigründer Bernd Lucke initiierten Aufruf zeigen: „Die unangenehme Wahrheit besteht deshalb darin, dass eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage nur durch niedrigere Entlohnung der ohnehin schon Geringverdienenden, also durch eine verstärkte Lohnspreizung, möglich sein wird. Eine Abfederung dieser Entwicklung ist durch verlängerte Arbeitszeiten, verminderten Urlaubsanspruch oder höhere Leistungsbereitschaft möglich.“ (Hamburger Appell, 2005; unterschrieben von 243 VWL-Profs)

Es kommt also vor allem darauf an, den aktuellen Verhältnissen eine wirkliche Alternative entgegenzusetzen. Wir müssen der Ohnmacht und Verfügungslosigkeit eine radikale Demokratisierung der Gesellschaft entgegensetzen statt Sündenböcke und Nationalstolz. Der sozialen Not müssen wir einen radikalen Ausbau des Sozialstaats entgegensetzen statt Leistungszwang. Der verordneten, anerzogenen Dummheit durch G8 und Bologna müssen wir exemplarisches, forschendes und auf gesellschaftlich relevante Fragen gerichtetes Lernen entgegensetzen statt „Elitenauslese“ und Arbeitsmarktorientierung. Im Kampf für kritische Bildung liegt für all das ein Schlüssel mit enormer gesellschaftlicher Sprengkraft.

Der gebildete Mensch ist kein Bildungsphilister, der es etwa mit einiger Mühe dazu gebracht hat, ein ergriffenes Gesicht zu ziehen, wenn er klassische Musik hört.“ Weil gesellschaftskritische „Bildung Klarheit schafft über diejenigen Ursachen der eigenen Lage, gegen die die Einzelnen durch individuelles Handeln nichts ausrichten können, schafft diese Bildung ein gemeinschaftliches Bewusstsein. Das wäre der Anfang einer Veränderung.“ (Herbert Schui, „Politische Mythen & elitäre Menschenfeindlichkeit“, S. 122f)

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