Allgemein

Redebeitrag von Oliver Vornfeld (Vertreter des AStA der Universität Hamburg) auf der antifaschistischen Kundgebung „Keinen Platz und keine Stimme für die NPD!“ auf dem Jungfernstieg am 7. Februar 2015

es gilt das gesprochene Wort –

Hamburger_Buendnis_gegen_RechtsLiebe Leute,

die NPD hält ja heute auf dem Gänsemarkt ihre Kundgebung ab. Unter den wachsamen Augen Gotthold Ephraim Lessings, der dort als Statue steht, nachdem er von 1767 bis 1770 dort als Dramaturg des Deutschen Nationaltheaters gearbeitet hatte. Lessing schreibt im Februar 1758 in einen Brief an den ihm bekannten Dichter Johann Gleim: „Ich habe überhaupt von der Liebe des Vaterlandes (es thut mir leid, daß ich Ihnen meine Schande gestehen muss) keinen Begriff, und sie scheinet mir aufs höchste eine heroische Schwachheit, die ich recht gern entbehre“1. Wir sehen also – und das geht nicht nur in Richtung der NPD – : „Vaterlandsliebe“ brauchte man schon vor 250 Jahren nicht.

Später im selben Jahr schreibt Lessing, wieder an Gleim, dass „das Lob eines eifrigen Patrioten, nach meiner Denkungsart das allerletzte ist, wonach ich geizen würde; des Patrioten nämlich, der mich vergessen lehrt, daß ich ein Weltbürger sein sollte“2. Wir sehen also weiter – und das geht wieder nicht nur in Richtung der der NPD: Auch die Anbiederung an völkische Gefühle und besorgten Patriotismus ist nicht hilfreich. Stattdessen kommt es auf Weltbürger*innentum an.

Im universitären Kontext bedeutet dies zum einen wehrhaft gegen rechtes Gedankengut an den Hochschulen vorzugehen. Ich möchte mich in diesem Redebeitrag erst einmal auf die extrem rechten Umtriebe an den Universitäten konzentrieren. Zu denen gehören natürlich die Burschenschaften, gerade die Germania Hamburg und die Germania Königsberg zu Hamburg, die in der Vergangenheit dadurch auffielen, dass sie gerne auch alte NPD-Kader zu ihren Tagungen als Referenten einladen oder Unsympathen wie Norbert Weidner, der 2011 als Chef der „Burschenschaftlichen Blätter“ die Verurteilung und Hinrichtung des Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer durch die NS-Justiz verteidigt hatte. Burschenschaften zeichnen sich aus durch ein starkes Elitedenken, überkommene Geschlechterbilder, ein merkwürdiges Abfeiern von Gewalt und Härte bei Mensuren, also Fechtkämpfen – so sie denn „schlagend“ sind. Diverse Burschenschaften gingen im letzten Jahr in Hamburg auf wg-gesucht.de auf subtile Mitgliedersuche, indem sie – ohne ihre Identität preiszugeben – günstige WG-Zimmer in ihren Häusern inserierten. Eine sozialere Wohnungspolitik auf für Studierende, aber natürlich für alle Menschen, ist also ein exemplarischer Schritt zur Verbesserung der sozialen Lage der Studierenden, was auch den Burschenschaften den Nährboden entzieht.

Burschenschaften verstehen sich, im Unterschied zu anderen Studentenverbindungen, als politische Organisationen im Sinne ihres Wahlspruches „Ehre, Freiheit, Vaterland“. „Nation“ wird in Burschenschaften völkisch. Rassistisch verstanden: Nicht der Pass bestimmt über die Nationenzugehörigkeit, sondern die Blutslinie. Die Analogien zur Blut-und-Boden-Ideologie des Nationalsozialismus sowie zum sog. „Ethnopluralismus“ der Identitären Bewegung sind offenbar. In den letzten Semestern machte in Hamburg vor allem die Burschenschaft Germania mit Plakaten wie „Linke Gewalt stoppen! Rote Flora räumen!“ und „Hamburg das Sozialamt der Welt“ für die unverzügliche Abschiebung von „Scheinasylanten“ in Hamburg auf sich aufmerksam. So verwundert es denn auch nicht, dass die Burschenschaften in letzter Zeit auch Anschluss suchen zu der Identitären Bewegung, zu Parteien wie der AfD und zu den PEGIDA-Demonstrationen, die sich ja erfreulicherweise gerade selbst zerlegen.

Was aber gegen Nationalismus und Deutschtümelei hilft, wenn es nicht bei moralischen Appellen bleiben soll – denn das reicht bei der NPD nicht und bei AfD und PEGIDA schon gar nicht – , auch da kann Lessing weiterhelfen, der die Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt rückt: „Das Totale der einzelnen Glückseligkeiten aller Glieder ist die Glückseligkeit des Staates. Außer dieser gibt es gar keine. Jede andere Glückseligkeit des Staates, bei welcher auch noch so wenige einzelne Glieder leiden, und leiden müssen, ist die Bemäntelung der Tyrannei. Anders nichts!3

Zum einen muss der abgeschmackte Mythos des Volkes und seiner Wesenheit aufgelöst werden und des Weiteren gilt es wirkliche Verbesserungen für alle Menschen zu erreichen. Die Aufgabe der Uniersität ist es also Aufklärung gerade auch über Rechts zu leisten. Die Universität muss darüber hinaus auch – und das hängt mit der Aufklärung zusammen – einen Beitrag dazu leisten, dass die derzeitige Krise progressiv überwunden wird und nicht durch verschärfte Konkurrenz und Austeritätspolitik, wie es z.B. die um eine Hamburger Professorenriege um Bernd Lucke herum entstandene AfD propagiert.

Dafür muss enthüllt werden, was Adorno in den Studien zum autoritären Charakter 1950 wiefolgt beschriebt: „ […] daß die – weitgehende unbewußte – Feindschaft, die aus Versagung und Repression resultiert und sozial vom eigentlichen Objekt abgewandt wird, ein Ersatzobjekt braucht, durch das sie einen realistischen Aspekt für das Subjekt gewinnt […]. Es muß greifbar genug aber auch nicht zu greifbar sein, damit die eigene Wirklichkeit es nicht zunichtemacht. Es muß […] als unbestreitbares Element der Tradition erscheinen. Es muß in starren und wohlbekannten Stereotypen definiert sein“4. Das bedeutet die Abneigung gegen Geflohene, Asylbewerber und andere Diskriminierte, muss als unbewusst umgelenkte Aggression gegen die eigentlichen Verhältnisse verstanden werden.

Die Universität muss sich den gesellschaftlich relevanten Fragestellungen für wirkliche Alternativen zu Konkurrenz und Markt, Rassismus und Islamophobie, Antisemitismus und Unterdrückung, Krieg und Umweltzerstörung annehmen, sodass Hamburg und die Welt ein lebenswerter Ort für alle Menschen werden. Positiv gewendet heißt es dazu im Leitbild der Universität Hamburg von 1998: „Die Mitglieder der Universität […] wollen zur Entwicklung einer humanen, demokratischen und gerechten Gesellschaft beitragen“5. Dem müssen sich alle Universitätsmitglieder verpflichtet fühlen. So kann es gelingen, Gegenentwürfe zum status quo zu entwickeln und nicht in chauvinistische und rassistische Parolen zu verfallen. Im Leitbild der Universität heißt es auch: „Die Mitglieder der Universität wollen die universitären Aufgaben in der Verbindung von Forschung und Lehre, Bildung und Ausbildung in wissenschaftlicher Unabhängigkeit erfüllen“6. Das bedeutet eine klare Absage an die ideologische Einspannung der Universität, wie sie am gravierendsten wohl im nationalsozialistischen Deutschland vorgenommen worden ist, aber heute z.T. subtiler in der Unterordnung unter den Markt und marktförmige Prozesse besteht.

Wir alle können darüber hinaus ein Zeichen gegen Rechts setzen, indem wir uns in politische Prozesse einbringen und rechten Parteien und Parolen eine klare Absage erteilen, so wie heute und auch bei der Bürgerschaftswahl am nächsten Sonntag.

1 Zitiert nach: W. Barner/G.E. Grimm/H. Kiesel/M. Kramer, Lessing. Epoche – Werk – Wirkung, München 1995, S. 255.
2 Zitiert nach: H.B. Nisbet, Lessing. Eine Biographie, München 2008, S. 312.
3 G.E. Lessing, Ernst und Falk. Gespräche für Freimaurer (1778), in: Ders, Werke. Hg. von H.G. Göpfert, Darmstadt 1996, Bd. 7, S. 459. Hervorhebungen im Original.
4 Th. W. Adorno, Studien zum autoritären Charakter (1950), Frankfurt a.M. 1973, S. 108. Hervorhebungen im Original.
5 Leitbild der Universität Hamburg (1998), abgerufen am 7.2.2015 unter: http://www.uni-hamburg.de/uhh/profil/leitbild.html.
6 A.a.O.

Schreibe einen Kommentar