Allgemein

Brasilien nach der Wahl. Internationale Solidarität!

Antrag auf Aktuelle Stunde im Studierendenparlament der Uni Hamburg für die Sitzung am 8.11.18

AntragstellerInnen: SDS*, harte zeiten, Liste LINKS, CampusGrün, UKElerVereint

Am Sonntag, den 30. Oktober 2018, wurde in Brasilien der faschistoide Jair Bolsonaro gegen den Kandidaten der Partei der Arbeit, Fernando Haddad, mit 55,1% der Stimmen zum Präsidenten gewählt. Dies war der Höhepunkt eines kalten Putsches des Establishments gegen die emanzipatorische und soziale Politik sozialer Bewegung und der Partei der Arbeit (PT) rund um Lula da Silva, die seit 1. Januar 2003 in der Regierung rund 24 Millionen Menschen der absoluten Armut entriß. Viele weitgehend mittellose BrasilianerInnenwurden in die unteren Mittelschichten gehoben. Die Regierung legte ein Eine-Million-Häuser-Programm, Familienhilfe und Programme gegen Hunger auf. Gegen diese Politik der Umverteilung von oben nach unten putschten das ökonomische, juristische und militärische Establishment 2016 in Form der illegalen Absetzung der Präsidentin Dilma Rousseff und der Einsetzung des Austeritäts-Fanatikers Michel Temer. Nachdem bei der Präsidentschaftswahl 2018 der ehem. Präsident Lula da Silva in den Umfragen bei über 70% lag und die frühere Politik fortzusetzen drohte, wurde dieser von einem Richter der nun Innenminister in der Bolsonaro-Regierung wird, zu 12 Jahren Haft verurteilt und damit aus dem Rennen geworfen.

In der Nacht vor der Wahl stürmte Polizei 20 Universitäten und entfernte unter dem Vorwand des Vorgehens gegen illegale Wahlwerbung antifaschistische Transparente, Plakate und Symboliken. Bolsonaro sagte dazu: „Die Universität ist kein Ort für Proteste“. Der neue Superminister für Wirtschaft wird der Chicago Boy Milton Friedmans, Paulo Guedes, der u.a. zu Zeiten der chilenischen Militärdiktatur eine Professur an der Universidad de Chile innehatte und ein Verehrer Pinochets ist. Die antifaschistische Brasilianische Volksfront und die Front Volk ohne Angst erklärten am 28. Oktober 2018: „In diesem Moment ist es von grundlegender Bedeutung, gemeinsam weiterzumachen und zusammenzuhalten für Demokratie, nationale Souveränität und unsere Rechte. Wir müssen nicht in Angst verfallen lassen, denn wir haben einander. Im Gegensatz zu dem, was sie denken, wird sich das brasilianische Volk zu wehren wissen.“

Vor diesem Hintergrund möge das Studierendenparlament in der aktuellen Stunde über die Entwicklung in Brasilien, unsere Verantwortung in der BRD und Internationale Solidarität der Verfassten Studierendenschaft der Uni Hamburg diskutieren.

Begründung

Brasilien über alles. Gott über allem“ | „Wenn man auf die Verbrecher schießt und einen erwischt und dafür nicht belangt wird, kannst du dir sicher sein, dass das die Gewalt im Land senken wird. Das Verbrechertum wird zurückgehen“ | „Diese roten Verbrecher werden aus unserem Heimatland verbannt. Es wird eine Säuberung werden, wie sie in Brasiliens Geschichte noch nie vorgekommen ist“ | „Jede Aktion von MST [Landlosenbewegung] und MTST [Obdachlosenbewegung] wird als Terrorismus beurteilt werden. Das Privateigentum ist heilig und muss verteidigt werden können.“ (Aussagen des designierten Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, aus jüngster Zeit)

Sehr geehrter Herr Bolsonaro, zu Ihrer Wahl zum Präsidenten der Föderativen Republik Brasilien sende ich Ihnen meine Glückwünsche. Unsere beiden Länder sind seit langem durch freundschaftliche Beziehungen und gemeinsame Interessen verbunden. […] Für die Bewältigung Ihrer Aufgaben wünsche ich Ihnen eine sichere Hand, viel Kraft und Erfolg. Mit freundlichen Grüßen, Angela Merkel, Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland“ (bundesregierung.de, 1.11.18)

Bolsonaro was a politically divisive figure during much of the campaign, but his economic team appears committed to building on the reform agenda put in place over the past two years. These reforms – which include spending curbs, privatizations and a loosening of labor market laws – have helped support a gradual economic recovery. […] A growing debt burden, driven by massive social security obligations, is Brazil’s key challenge. We see broad support for reforming social security.“ (BlackRock Investment Institute, weltweit größter Investmentfonds, 29.10.18)

»Wir müssen sagen, dass gefoltert wird, weil die Eigentumsverhältnisse bleiben sollen. Freilich, wenn wir dies sagen, verlieren wir viele Freunde, die gegen das Foltern sind, weil sie glauben, die Eigentumsverhältnisse könnten auch ohne Foltern aufrechterhalten bleiben (was unwahr ist). Wir müssen die Wahrheit über die barbarischen Zustände in unserem Land sagen, dass das getan werden kann, was sie zum Verschwinden bringt, nämlich das, wodurch die Eigentumsverhältnisse geändert werden.«
(Bertolt Brecht, »Fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit«, 1935)

Wir werden weiterhin die Verfassung, die soziale Vielfalt, die Rechte aller, ein Brasilien von allen verteidigen und die Gefahr der Diktatur, die Beseitigung der sozialen Errungenschaften, den Verkauf des öffentlichen Vermögens, den Ausverkauf der natürlichen Ressourcen, Rassismus und Frauenverachtung, Homophobie und die Bedrohung der institutionalisierten Gewalt bekämpfen. In diesem Moment ist es von grundlegender Bedeutung, gemeinsam weiterzumachen und zusammenzuhalten für Demokratie, nationale Souveränität und unsere Rechte. Wir müssen nicht in Angst verfallen lassen, denn wir haben einander. Im Gegensatz zu dem, was sie denken, wird sich das brasilianische Volk zu wehren wissen.“ (Frente Brasil Popular [Brasilianische Volksfront]| Frente Povo sem medo [Front Volk ohne Angst], 28. Oktober 2018)

»In konzentrierter Form kommt der soziale Charakter des Faschismus also darin zum Ausdruck, daß einerseits die Führer der Arbeiterbewegung in großer Zahl verhaftet und ermordet werden, während andererseits die Führer der großen Industrie- und Bankkonzerne an die Schalthebel der Macht gelangen und von dort aus – zusammen mit den Inhabern des staatlichen Gewaltapparats – die Richtlinien der Politik bestimmen.« (Prof. Dr. Reinhard Kühnl, „Faschismus. Ursachen und Herrschaftsstruktur – Eine Einführung, S. 112)

„Die großen politischen Verbrecher müssen durchaus preisgegeben werden, und vorzüglich der Lächerlichkeit. Denn sie sind vor allem keine großen politischen Verbrecher, sondern die Verüber großer politischer Verbrechen, was etwas ganz anderes ist.
Keine Angst vor der platten Wahrheit, wenn sie nur wahr ist! So wenig das Mißlingen seiner Unternehmungen Hitler zu einem Dummkopf stempelt, so wenig stempelt ihn der Umfang dieser Unternehmungen zu einem großen Mann. Die herrschenden Klassen im modernen Staat bedienen sich bei ihren Unternehmungen meistens recht durchschnittlicher Leute.
Nicht einmal auf dem höchsten Gebiet der ökonomischen Ausbeutung ist besondere Begabung vonnöten. Der Milliardentrust der IG Farben verwendet überdurchschnittliche Intelligenz nur, indem er sie ausbeutet; die Ausbeuter selber, eine Handvoll Leute, die meistens durch Geburt zu ihrer Macht kamen, bringen kollektiv etwas Schlauheit und Brutalität auf, werden aber durch die Unbildung, und würden selbst durch etwaige Gutmütigkeit einzelner unter ihnen, nicht geschäftlich geschädigt. Die politischen Geschäfte lassen sie durch Leute besorgen, die oft noch erheblich dümmer als sie selber sind.“ (Bertolt Brecht, „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“, Bemerkungen, 29.4.1941)

»Es kann in einem Aufruf gegen den Faschismus keine Aufrichtigkeit liegen, wenn die gesellschaftlichen Zustände, die ihn mit Naturnotwendigkeit erzeugen, in ihm nicht angetastet werden. Wer den Privatbesitz an Produktionsmitteln nicht preisgeben will, der wird den Faschismus nicht loswerden, sondern ihn brauchen.« (Bertolt Brecht, »Faschismus und Kapitalismus«, 1935)

»Wir müssen sagen, dass gefoltert wird, weil die Eigentumsverhältnisse bleiben sollen. Freilich, wenn wir dies sagen, verlieren wir viele Freunde, die gegen das Foltern sind, weil sie glauben, die Eigentumsverhältnisse könnten auch ohne Foltern aufrechterhalten bleiben (was unwahr ist). Wir müssen die Wahrheit über die barbarischen Zustände in unserem Land sagen, dass das getan werden kann, was sie zum Verschwinden bringt, nämlich das, wodurch die Eigentumsverhältnisse geändert werden.« (Bertolt Brecht, »Fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit«, 1935)

Hintergrundartikel von Dieter Boris: https://www.jungewelt.de/artikel/342681.faschist-im-amt-d%C3%A4mmerung-in-brasilien.html